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Mit Blockchain zur effizienten Lieferkette

Neue Blockchain-Plattformen sollen die weltweiten Warenströme schneller und sicherer gestalten

Jährlich befördern die großen Reedereien Waren im Wert von 4 Billionen Dollar rund um den Globus. Beim Transport fallen dabei nicht nur Kosten für den Schiffsbetrieb an, sondern auch für die erforderlichen Dokumente zur Abwicklung des Handels. Letzteres macht bei vielen Waren sogar ein Fünftel der Transportkosten aus. Entfielen die langsame manuelle Bearbeitung von Frachtdokumenten und der zeitintensive Austausch von Daten, könnte das Volumen des Welthandels laut Experten um 15 Prozent wachsen. Neue Technologien helfen, die analogen Barrieren zu überwinden:

IBM und Maersk präsentieren TradeLens

IBM gilt als einer der Pioniere, wenn es darum geht, die Blockchain-Technologie für die weltweite Logistik nutzbar zu machen. Bereits im Jahre 2017 rief der IT-Konzern eine Initiative für Import- und Exportprozesse ins Leben und startete zuletzt mit dem Reederei-Giganten Maersk ein Joint Venture.

Das Ergebnis namens TradeLens präsentierten beide Unternehmen im August 2018. Die auf der Blockchain-Technologie basierende Informationsplattform soll den Akteuren des globalen Handels gebündelte Frachtdokumente, Versanddaten, Zollanmeldungen und Daten aus dem Internet der Dinge in Echtzeit zur Verfügung stellen. Hafen- und Terminalbetreiber, Verlader, Reedereien, Spediteure aber auch Verkehrs- und Zollbehörden können auf diese Weise vertrauensvoll kooperieren. Die Abläufe transparenter und effizienter zu gestalten sowie manuelle und kostenintensive Prozesse zu reduzieren, ist dabei das Ziel. Im Gegensatz zu einer offenen Blockchain, wie sie z.B. bei der Kryptowährung Bitcoin besteht, funktioniert TradeLens mit einer Blockchain, die zentral verwaltet und den Nutzern zugeteilt wird. Jeder bekommt dabei lediglich Zugang zu relevanten Informationen.

Über 90 Teilnehmer schließen sich an

Bislang nehmen 94 Organisationen an TradeLens teil. Dazu gehören unter anderem die globalen Terminalbetreiber APM Terminals und PSA International. Neben Maersk sind auch Pacific International Lines (PIL) und Hamburg Süd als Container-Reedereien beteiligt. Zollbehörden in Australien, Singapur, Saudi-Arabien, den Niederlanden und Peru nutzen die Plattform ebenfalls. Aktuell bietet sie Zugang zu 154 Millionen Versandvorgängen, Daten von 25 Terminals, 11 Millionen Containerfahrten und 5 Millionen Sendungen. Rund 1 Million Versandvorgänge sollen nach Aussage der Betreiber täglich hinzukommen.

Die bisherige Bilanz fällt positiv aus: So konnten Smart Contracts die Transportverzögerungen durch Dokumentationsfehler eliminieren. Das Dokumentenmodul „Clearway“ trägt im Wesentlichen zur Verschlankung des Dokumentenverkehrs bei. Es erzeugt einen nicht fälschbaren Prüfpfad und erlaubt Importeuren, Exporteuren, Regierungsbehörden und Zoll einen sicheren Datenaustausch in Echtzeit. Ein Medienbruch, in dem zeitaufwendig Dokumente per E-Mail, Fax, und Kurier verschickt werden, entfällt auf diese Weise. Damit löst die neue Plattform sowohl den Papierverkehr als auch alte Electronic-Data-Interchange-Lösungen (EDI) ab. Laut den Betreibern würden auf diese Weise nicht nur Einsparungen in Milliardenhöhe, sondern auch eine Eindämmung des Schmuggels möglich.

Die Reederei Maersk wächst mit TradeLens zum Plattformanbieter und Datendienstleister der Branche. Nachdem Preisdruck und fallende Frachtraten in den vergangenen Jahren zu Gewinneinbrüchen führten, will sich das dänische Unternehmen so zukunftssicher aufstellen.

OOCL testet Blockchain im Transport

Bereits vor der Präsentation von TradeLens, im Juli 2018, feierte die Blockchain-Technologie ihre Premiere im realen Warentransport. Hierbei schickte die Commonwealth Bank of Australia (CBA) mit der Hongkonger Orient Overseas Container Line (OOCL) 17 Tonnen Mandeln vom australischen Victoria nach Hamburg. Innerhalb des Projektes wurden die Blockchain-Plattform Ethereum, die DLT-Technologie, Smart Contracts und das Internet der Dinge zusammengeführt. Die beteiligten Akteure konnten die Ladung während des gesamten Zeitraumes lückenlos verfolgen und Informationen über den Standort der Ware sowie Temperatur und Luftfeuchtigkeit im Container abrufen. Insbesondere bei verderblichen Waren bieten derartige Systeme damit hohe Sicherheiten. Um Verbrauchern Informationen zur Herkunft ihrer Lebensmittel zu bieten, wäre es denkbar, auch ihnen über einen Verpackungsaufdruck Einblick in die Blockchain zu ermöglichen.

Ein ausschlaggebender Vorteil, der sich im Experiment der CBA und OOCL ergab, war das Wegfallen eines Großteiles der Frachtpapiere. Gemäß einer Schätzung des Weltwirtschaftsforums könnte sich das Volumen des Welthandels jährlich um bis zu eine Billion Dollar steigern, falls die zeitintensive Bearbeitung papierener Frachtdokumente entfällt.

Blockchain-Frachtbriefe für mehr Sicherheit

Frachtbriefe enthalten die essenziellen Informationen für Reedereien und Auftraggeber: Der Nachweis über die Art der Ladung, die Daten von Absender und Empfänger sowie der Verschiffungsauftrag sind in den Papieren dokumentiert. Ihr Austausch bildet jedoch eines der schwächsten Glieder in der Transportkette, wie der ehemalige Maersk-President Michael White am Beispiel eines Avocado-Transportes vom kenianischen Mombasa nach Rotterdam erklärt: Dass dieser zuweilen über einen Monat dauere, läge nicht zuletzt daran, dass es allein 2 Wochen brauche, die Frachtpapiere zwischen den zuständigen Behörden auszutauschen und zu bearbeiten. Vielfach würden die Dokumente auch heute noch per Post zwischen den Handelsparteien verschickt.

Digitale Frachtbriefe beschleunigen den Transport

Um den Frachtbrief vor Manipulationen zu sichern und seine Bearbeitung zu vereinfachen, startet die Reederei Pacific International Lines (PIL) aus Singapur aktuell ein Projekt mit IBM. Gemeinsam entwickelten das neungrößte Container-Unternehmen der Welt und der Software-Gigant digitale Frachtbriefe. Sie sollen den Papierverkehr der Reederei ersetzen und rationalisieren, indem die elektronischen Frachtbriefe (e-BL) über einen von IBM entwickelten Blockchain-Ledger bzw. eine DLT-Datenbank nachverfolgt werden können.

„Bei der Arbeit in einem komplexen logistischen Netzwerk, das Häfen, Terminals, Agenturen, Regierungsbehörden, Banken und Reedereien umfasst, erhalten ein systematisches Management der Lieferkette und das Vermeiden unnötiger Bearbeitungsschritte wachsende Bedeutung, um Kosten zu senken“, erklärt Lisa Teo, Executive Director bei PIL, das Bestreben. Traditionell werde der Informationsfluss in erster Linie manuell gesteuert, was zu einer Verzögerung der Lieferung führt. Das Nutzen der Blockchain-Technologie erlaubt hingegen den direkten Austausch von Dokumenten und Informationen über ein dezentrales Netzwerk, sodass die Transparenz erhöht und die Gefahr von Fälschungen herabgesetzt werden.

Neben Maersk und OOCL ist PIL aktuell die dritte große Reederei, die ihre Lieferkette mithilfe der Blockchain-Technologie optimieren will.